Sind die Längen der einzelnen Pulsationsphasen willkürlich gewählt?

Vorhergehend wurde der Zweiraummelkbecher ausführlich beschrieben. Dieser Teil beschäftigte sich mit der optimalen Länge der einzelnen Pulsationsphasen. Nun wirft sich natürlich die Frage auf, worauf basieren eigentlich diese Angaben?

Dazu stehen wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung, in denen schon vor Jahren die Effekte der Pulsation untersucht wurden. Hierbei konnten zum Teil durch Extremversuche an den Kühen nicht nur die Einflüsse auf Melkgeschwindigkeit sondern auch auf Eutergesundheit und Zitzenkonditionen ermittelt werden. Auf Grundlage solcher Quellen sollten und werden Pulsatoreinstellungen festgelegt.

In der nebenstehenden Abbildung sind zum einen einige unterschiedliche Pulsverhältnisse und deren Einfluss auf die Anzahl an mit Mastitis infizierten Eutervierteln dargestellt. Zum anderen kann in der Waagerechten die unterschiedliche Länge der c + d- Phasen bei diversen Pulsverhältnissen in Sekunden abgelesen werden. Im Ergebnis ist deutlich zu erkennen, dass eine Pulsation mit einer Einstellung bis 60:40 eine gleich bleibende, geringe Auswirkung auf die Anzahl infizierter Euterviertel aufweist. Wäre das Melken mit Pulseinstellungen von 50:50 nicht deutlich langsamer als 60:40, könnte auch eine solche Einstellung allein aus dem Gesichtspunkt „Auswirkungen auf Eutergesundheit“ durchaus interessant sein und eine mögliche Alternative darstellen. Wird das Pulsverhältnis über die genannte 60/40 %-Einstellung gesteigert, so steigt auch der Anteil der infizierten Euterviertel entsprechend deutlich an.

Hier treten 2 Effekte gleichzeitig auf:

  1. Bei einem Saugphasenanteil größer 65 % wird die b-Phase allein schon bei mindestens 50 % liegen. Dies bedeutet bei einer Geschwindigkeit von 60 Zyklen pro Minute, dass die reine b-Phase (Melkphase) oberhalb 500 ms liegt, die Zitzengummioffenphase ist also recht lang. In dieser Zeit wirkt das Vakuum voll auf die Zitze ein. Dies reizt das Gewebe, zudem werden Blut und körpereigene Flüssigkeiten in die Zitzenkuppe gezogen. Das führt mittelfristig zu einem langsameren Melken, da sich der Schließmechanismus der Zitze mit zunehmender Melkzeit durch den zunehmenden Gewebeinnendruck immer enger wird und somit schwieriger öffnen lässt. Dadurch verlängert sich die Melkdauer und das Melkvakuum belastet das Gewebe stärker. Damit ist das Risiko auf stärkere, negative Einwirkung auf die Eutergesundheit gegeben.
  2. Wie in der gleichen Grafik auf Seite 1 zu sehen ist, beträgt der Entlastungsphasenanteil (c + d- Phase) nur ca. 300 ms. Wird eine c-Phase von mindestens 100/110 ms unterstellt, so verbleiben für die reine d Phase (Druck/Massagephase auf Zitze) nur noch weniger als 200 ms. Diese Zeit reicht mit zunehmender Melkzeit nicht mehr aus, um die nun in der Zitzenkuppe angesammelten Gewebeflüssigkeiten wieder aus der Kuppe in höhere Regionen massieren zu können. So wird gegen Melkende auch hier die Kuppe mehr und mehr verhärten und zu einem langsameren Melken führen. Das war auch ein Grund für die Festsetzung der Dauer der d-Phase von mindestens 15% und mindestens 150 ms in der DIN/ISO 5707. Harte Zitzenkuppen sind natürlich immer empfindlicher hinsichtlich Beschädigungen bei Krafteinwirkungen von außen. Recht schnell sind neben deutlich sichtbaren Ringen um den Schließbereich auch entsprechende, bleibende Verhornungen als Reaktion auf zu lange und zu hohe Vakuumeinwirkungen zu beobachten (Hyperkeratosen).

Die nachfolgende Studie, von Hamann und Mein, zeigt Veränderungen der Zitzendicke bei unterschiedlich ausgeprägten Taktfrequenz der Pulsatoren und den Saugphasenlängen. Zum leichteren Verständnis der nachfolgenden Untersuchung ist in der Tabelle einmal dargestellt wie sich a + b- Phasen in der Zeiteinheit bei unterschiedlicher Frequenz und unterschiedlicher Länge der a + b-Phasen in % verändern.

Die geringsten Auswirkungen auf Zitzendicke sind bei einem Pulsverhältnis mit niedrigen Zitzen- gummi-Offenphasen zu verzeichnen. Hier weist die Gruppe mit 50 % Saugphase die geringsten Veränderungen auf. Der Sprung von 50 auf 70% zeigt nun aber deutliche Veränderungen. Hier passiert also einiges an und mit der Zitze! Klar ist, dass in jeder Gruppe eine schnellere Pulszahl durch dann kürzer werdende Pulszyklen in der Zeiteinheit jeweils die geringsten Veränderungen bewirkt. Die dazugehörenden Zitzengummi- Offenphasen werden kürzer, der Zitzengummi kommt schneller wieder zurück an die Zitze, damit wird die Wirkung von Vakuum an den Zitzen unterbrochen und es wird nicht so viel Blut und körpereigene Flüssigkeit in die Zitzenspitze gesaugt.

Des Weiteren gibt es eine wissenschaftliche Untersuchung aus den USA, die sich speziell mit dem Milchausflussprofil aus Zitzen beschäftigt.
Diese wurde 1992 in dem Buch „Machine Milking and Lactation“ (Mein, Bramley and Dodd) veröffentlicht.

Hier wurde bei unterschiedlich langen Zitzengummi-Offenphasen der Milchfluss aus Zitzen gemessen und über die Zeit dargestellt. Das erste Bild zeigt in der oberen roten Grafik einen Pulszyklus über 2.000 ms mit einer Länge der Vakuumphase (Zitzengummi- Offenphase) von fast 1.500 ms. Die untere blaue Grafik zeigt nun den dazugehörigen Milchausfluss aus Zitzen.
Es fällt sofort auf, dass der Ausfluss aus Zitzen scheinbar nicht stabil ist, sondern sich über Zeit deutlich verändert. Nach ungefähr 500 ms ist zu erkennen, dass sich die Milchflussintensität reduziert, wobei sich der Ausfluss nach ca. 800 ms auf einem dann deutlich reduzierten Niveau (ca. 60 % vom Ausgangswert) zu stabilisieren scheint. Der nachfolgende 2. Pulszyklus zeigt das gleiche Profil. Hier wurde der Pulszyklus auch noch auf insgesamt über 10 Sekunden verlängert um zu sehen, was über einen solch langen Zeitraum passiert. Auch hier ist wieder festzustellen, dass nach ca. 500 ms der Milchfluss nachlässt und dann allerdings auf dem 2. Niveau mit fast 60 % des maximalen Milchflusses über die gesamte restliche Zykluslänge nahezu stabil bleibt.

Damit wird also deutlich, dass zur Ausnutzung eines optimalen Milchausflusses aus Zitzen die ersten 500 ms die effektivsten sind!

Unter Berücksichtigung der Tatsachen:

  • dass Zitzengummi-Offenphasen länger 500 ms die Zitze erheblich belasten,
  • dass das Infektionsrisiko bezüglich Eutererkrankungen bei länger als 500 ms andauernden Offenphasen deutlich ansteigt,
  • dass der Milchausfluss aus Zitzen nach 500ms sowieso zurückgeht,

machen längere Zitzengummi-Offenphasen also auch gar keinen Sinn! Deshalb befürwortet man heute aus diesen Gründen, die Länge der b Phase auf 500 bis 550 ms zu begrenzen und auch die a + b-Phase der Pulsation kleiner 65% einzustellen. Neben der richtigen Ausprägung von b- und d-Phase sind natürlich auch die Übergangsphasen a und c von Bedeutung. Die Länge der beiden Phasen steuert die Geschwindigkeit mit der sich der Zitzengummi öffnet und schließt. Dabei sind 2 Bereiche besonders zu beleuchten:

1. Öffnen und Schließen des Zitzengummis verursachen eine starke Veränderung des Volumens im Melkbecherinnenraum unterhalb der Zitze. Beim Öffnen kommt es zu einer plötzlichen Vergrößerung des Volumens.

Erfolgt die Volumenänderung zu schnell, kann es passieren, dass nun das Vakuum im Melkbecherinnenraum kurzzeitig über das des Melkvakuums steigt. Erst wenn nun über die Verbindung zum kurzen Milchschlauch wieder ein Druckausgleich stattfindet, stabilisiert sich das Vakuum im Innenraum wieder auf dem gewünschten Niveau. Daher sollten die meist in Europa eingesetzten großvolumigeren Zitzengummis mit nicht zu kurzen a-Phasen der Pulsation kombiniert werden!
Diese Kombination erhöht das Risiko von Rücksprayeffekten innerhalb des Melkzeugs. Durch das zu schnelle Öffnen des Zitzengummis entsteht kurzfristig ein höheres Vakuum an der Zitze. der Druckunterschied zum Milchsammelstück führt nun zum Druckaustausch zwischen diesen beiden Räumen. Dabei kann ein Milchluftgemisch vom Milchsammelstück durchaus in Richtung Zitze beschleunigt werden. Besonders bei Wechseltaktmaschinen können dadurch Krankheitserreger von einem Euterviertel auf andere über die Milch innerhalb des Melkzeuges übertragen werden!
Deshalb ist hier die Länge der a-Phase der Pulsation besonders zu beachten!
x Beim Schließen wird das Volumen nun reduziert. Dadurch kommt es kurzfristig zu einem kleinen Vakuumabfall im Melkbecherinnenraum. Das kann gewollt zu einer Beschleunigung der Ableitung von Milch aus dem Melkbecher und kurzen Milchschlauch in das Milchsammelstück führen. Die Intensität dieser „Pumpwirkung“ wird a. durch die Formgebung des Zitzengummis und b. durch die Schnelligkeit des Schließens bestimmt.

2. Gerade beim Schließen trifft der Zitzengummi wieder auf die Zitze. Ist die Bewegung zu schnell, so kann es besonders bei zu großen Zitzengummis auf eine zu dünne Zitze zu einem unangenehmen Melkgefühl führen. Dazu hat es einige wissenschaftliche Untersuchungen in den Niederlanden gegeben. De Koning und andere sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine c-Phase möglichst an 100 ms heranreichen sollte. Kürzere c-Phasen mit zum Beispiel kleiner 80 ms verursachen ein unruhiges Stehen der Kühe beim Melken und auch ein vermehrtes Abschlagen der Melkzeuge. Werden 90 bis 100 ms erreicht, beruhigt sich das wieder. Eine Steigerung auf über 120/130 ms sieht man aber nicht als nötig an, weil dadurch keine weitere Verbesserung beobachtet werden konnte.
P. Billon fand in Frankreich heraus, dass durch nur insgesamt 80 ms lange c-Phasen die Milchflussintensität von Kühen geringer ist als bei 100 bis 120 ms. Erklärt werden könnte dieses ebenfalls durch ein angenehmeres Melkgefühl für die Kühe. Bei entspannten Tieren kommt es zu einer besseren, nicht verkrampften Situation speziell rund um die Muskulatur der Zitzen.

Dies ist der Grund, warum eine Einstellung der c-Phasen in der Größenordung zwischen 100 und 130 ms befürwortet wird. Diese Werte müssen für eine optimale Pulsation erreicht werden.
Untersuchungen in Praxisbetrieben Anfang der 90er Jahre haben zusätzliche Erkenntnisse geliefert.
So wurden unter anderem folgende unterschiedlichen Pulsverhältnisse mit verschiedenen Geschwindigkeiten miteinander verglichen:

Zwischen den ersten beiden Versionen 67:33 und 64:36 waren kaum messbare Unterschiede feststellbar. Da gleichzeitig neben der Kürzung der Vakuumphase von 67 auf 64% die Taktzahl von 65 Z/min auf 62 reduziert wurde, wirkte sich diese Reduzierung der Saugphase nicht negativ in der Zeiteinheit auf die Länge der b-Phase aus, im Gegenteil, sie ist sogar noch etwas länger geworden. Da besonders hoher Wert auf schonendes Melken mit genügend langer b- Phase gelegt wird, kam die Verlängerung von knapp 200 auf 240 ms sehr gelegen. Im Nachhinein hat sich auch gezeigt, dass diese Pulsatoreinstellung in sensiblen Herden auch zu besseren Eutergesundheitswerten führte.

Variante 3 mit 60:40 und 60 Zyklen pro Minute erzielte im Vergleich ein um ca. 10 % langsameres Melken bedingt durch niedrigere Milchflüsse. Verantwortlich für diesen Effekt ist sicher nicht die um nur ca. 10 ms kürzere b-Phase, sondern vielmehr die mit fast 300 ms lange d-Phase. Durch den längeren Druck auf die Zitzenkuppe scheint es hier zu einer Veränderung des Zustandes (Weichheit) der Zitzenspitze zu kommen, so dass es scheinbar länger dauert, um diese wieder zur nächsten Vakuumphase voll öffnen zu können.

Unterstützt wird diese Theorie durch die Ergebnisse mit der Einstellung 50:50 speziell mit 50 Zyklen pro Minute. Beide Einstellungen waren nochmals deutlich langsamer pro Minute. Vergleicht man auch hier die b-Phasen untereinander fällt auf, dass Einstellung 5 fast die gleichen Zeiteinheiten aufweist wie Einstellung 3. Es muss also ein anderer Effekt verantwortlich sein. Hier kann das nur die nun mit fast 500 ms lange d-Phase sein.

Vor Ort beim Melken ist dies häufig auch an der Verformung der Zitzenkuppen auszumachen. Die Einstellungen 50:50 mit 60 oder 50 Zyklen/min sind für das heutige Melken von Hochleistungstieren nicht mehr geeignet und sollten daher nicht weiter zum Einsatz gelangen.

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