Mit Mastitisvakzinen die Eutergesundheit verbessern?

M. Spohr und F. Uhlenbruck

Die Erhaltung der Eutergesundheit von Milchkühen ist für jeden Milcherzeuger eine ständige Herausforderung. Größer werdende Herden, steigende Milchleistungen und eine zunehmende Arbeitsbelastung der Milcherzeuger erhöhen die Häufigkeit sowohl klinischer als auch subklinischer Mastitiden und steigern den Gehalt somatischer Zellen in der Tankmilch. Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Erfolge der antibiotischem Mastitistherapie stagnieren oder sogar rückläufig scheinen. Auf der Suche nach Alternativen verspricht die Immunisierung gegen Mastitiserreger einen Ausweg. Veröffentlichungen in der landwirtschaftlichen Fachpresse und Äußerungen in Diskussionsforen erwecken den Eindruck, dass der Einsatz von Impfstoffen erfolgreich ist. Reichen diese Informationen aus, um den Einsatz von Mastitisvakzinen zu empfehlen? Wie ist der aktuelle Stand des Wissens?

Ein großer Teil der „Erfahrungsberichte“ beruht auf  Versuchen, bei denen eine Herde geimpft und gleichzeitig andere Bekämpfungsmaßnahmen wie Merzungen, Hygienemaßnahmen, Therapien durchgeführt wurden. Die Entwicklung verschiedener Mastitiskennzahlen wurde dabei der Impfung zugeschrieben. Diese Sichtweise ist nicht korrekt, da nicht geprüft wurde, wie sich die Mastitissituation ohne Impfung entwickelt hätte. Dazu muss notgedrungen die Herde geteilt werden und die Entwicklung der Mastitiskennzahlen der unbehandelten sog. Kontrollgruppe als Vergleich herangezogen werden. Ein Vergleich zu Nachbarbetrieben oder zu den Ergebnissen der Vorjahre ist nicht aussagekräftig, weil die Eutergesundheit von einer Vielzahl, z.T. nicht bekannter Faktoren abhängt. Ohne eine aussagekräftige Kontrollgruppe kann man daher den Effekt einer Impfung weder beweisen noch widerlegen.

Mastitisvakzinen sind seit den 50er-Jahren im Einsatz gewesen. Dabei wurden kommerzielle Impfstoffe gegen mehrere Mastitiserreger oder einzelne Problemkeime angewendet, ebenso auch stallspezifische Impfstoffe. Keiner der Impfstoffe konnte seine schützende Wirkung in kontrollierten Feldstudien belegen. Trotz intensiver Forschungsarbeit ist es daher um die Mastitisvakzinen in den letzten Jahren ruhig geworden. Die Gründe für die Erfolglosigkeit beruhen vermutlich darauf, dass die durch den Impfstoff induzierten Antikörper im Blutstrom zirkulieren, die Blut-Euter-Schranke aufgrund ihrer Größe aber nicht durchdringen können. Das Euter bleibt daher vor Infektionen über den Strichkanal ungeschützt. Die Verabreichung des Impfstoffes über den Strichkanal direkt ins Euter würde hingegen schwere Entzündungen provozieren und keinen lang anhaltenden Schutz erzeugen.

Der einzige Impfstoff, der aufgrund seiner nachweislichen Wirksamkeit seit Jahren in Amerika eingesetzt wird, ist eine Vakzine gegen gram-negative Bakterien wie E. coli, Klebsiellen und Pseudomonaden. Diese Erreger sind an das Leben im Euter nicht angepasst und vermitteln ihre krank-machende Wirkung durch die Freisetzung von Giftstoffen (Endotoxinen). Diese Endotoxine sind Gefäß-aktiv und sorgen bei den erkrankten Kühen für hohes Fieber, Euterschwellung, Kreislauf- und Leberstörungen. Die durch den Impfstoff gebildeten Antikörper neutralisieren diese Toxine und mildern dadurch die klinische Symptomatik erheblich. Nicht die Infektion wird vermieden, sondern die durch die Endotoxine vermittelten Folgereaktionen. Eigene Versuche in Nord-Württemberg konnten eine Verringerung der Mastitishäufigkeit um 48 bis 64% nachweisen, zusätzlich war der Schweregrad der Euterentzündungen bei den geimpften Tieren deutlich geringer. Auf der Basis der aufgetretenen Mastitisfälle in der Versuchsperiode konnte die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der Vakzine nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der eigenen Studie deckten sich sehr gut mit den in den USA und Kanada veröffentlichten Versuchsergebnissen. Eine Zulassung dieser Vakzine wurde vom Hersteller jedoch nicht vorangetrieben, da die Häufigkeit von Coli-Mastitiden in Deutschland deutlich geringer ist als in Amerika und der zu erwartende Gewinn aus dem Verkauf des Impfstoffes die Zulassungskosten nicht gedeckt hätte.

Seit einigen Jahren ist eine neue Mastitisvakzine erhältlich, die den Impfstoff gegen Coli-Mastitiden mit einer Komponente gegen Staphylokokken kombiniert (StartVac®). Anders als bisherige Staph.-aureus-Vakzinen richten sich die Antikörper nicht gegen Eiweißbausteine der Zellwand sondern gegen Zucker-artige Zellwandauflagerungen, die für die Schleim- und Biofilmproduktion der Erreger verantwortlich sind. Zwar ist der genaue Wirkmechanismus dieses Impfstoffes nicht abschließend geklärt, in spanischen Studien wurde jedoch die Schutzwirkung nachgewiesen. So war der durchschnittliche Zellgehalt geimpfter Kühe deutlich niedriger als der ungeimpfter, er lag mit 328.000/ml jedoch noch deutlich über dem, was als eutergesund bezeichnet werden kann. Die Anzahl sichtbarer Mastitisfälle reduzierte sich um ca. 40%, die Zahl der Mastitisbehandlungen sogar um 63%. Parallel dazu konnte eine deutlich höhere Selbstheilungsrate bei klinischen Mastitiden festgestellt werden. Dieser Effekt war tendenziell auch bei subklinischen Mastitiden zu beobachten.

Eigene Untersuchungen in zwei Milchviehbetrieben Baden-Württembergs mit diesem Impfstoff haben folgende Ergebnisse gebracht:
In einer Herde mit gehäuft auftretenden Mastitiden verursacht durch Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) wurden 42 Kühe zweimal in der Trockenstehphase und einmal nach der Abkalbung geimpft, 43 Kühe blieben als Kontrolltiere ungeimpft. Die Aufteilung der Kühe in Impf- und Kontrolltiere erfolgte nach Ohrmarkennummer (gerade / ungerade). Zwischen geimpften und ungeimpften Kühen gab es keinen statistisch gesicherten Unterschied hinsichtlich des Nachweises von KNS, in der Höhe der Zellzahlen und der Neuerkrankungsrate. Weitergehende Untersuchungen zeigten, dass bei den isolierten KNS die Fähigkeit zur Biofilm-Produktion nur gering ausgeprägt war und sich daher ein potentieller Schutzmechanismus der Vakzine möglicherweise nicht auswirken konnte.
In einer zweiten Herde mit gehäuft auftretenden Staph.-aureus-Mastitiden wurde die Herde nach Ohrmarkennummer (s.o.) in Impf- und Kontrollgruppe aufgeteilt und die Impfung unabhängig vom Laktationsstand der Kühe durchgeführt. In den folgenden Monaten war ein deutlicher Rückgang der Staph.-aureus infizierten Viertel in der Versuchsgruppe feststellbar (21%  2% infizierte Viertel). Dieser Befund allein hätte den Eindruck erweckt, dass die Vakzine wirksam sei. In der Kontrollgruppe war aber ein ähnlicher Effekt bezüglich der Staph.-aureus infizierten Viertel feststellbar (14%  5% infizierte Viertel), so dass der geringe Unterschied zwischen Impf- und Kontrollgruppe eine Wirkung der Vakzine nicht bestätigt.
Unterschiedliche Entwicklungen zwischen Impf- und Kontrollgruppe waren beim Zellgehalt zu beobachten. Sowohl bei den Viertelanfangsgemelks- als auch bei den MLP-Zellzahlen traten deutliche Reduktionen bei den geimpften Kühen ein. Bei den nicht geimpften Kühen war dagegen eine markante Verschlechterung der Zellgehalte in den Sommermonaten zu verzeichnen. Diese Beobachtung wurde durch die höhere Behandlungsrate wegen klinischer Mastitiden (38% / 17% behandelter Kühe in der Kontroll- / Impfgruppe) und die höhere Merzungsrate (21% / 13%) komplettiert.

Die bisherigen Versuchsergebnisse sind viel versprechend, dennoch ist der Einsatz zurzeit noch nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Dazu muss sich die Schutzwirkung des Impfstoffes auch in weiteren Studien belegen lassen, denn die Bedingungen eines Versuchsbetriebes sind nicht immer auf andere Betriebe, Rassen und Regionen übertragbar. Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Einsatz der Vakzine mit erheblicher Arbeit und Kosten verbunden ist.

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