Fehlersuche bei Gefrierpunktüberschreitung der Milch

Arbeitsgruppe Hygiene – Ingrid Model, Bernd Hennig

Der Gefrierpunkt (GP) ist der Erstarrungspunkt der Milch bei Temperaturabsenkung. Der Gefrierpunkt der Sammelmilch in Deutschland bewegt sich zwischen – 0,520 °C und – 0,530 °C. Der Mittelwert in den Molkereiangaben liegt bei – 0,524 °C. Unter einer Gefrierpunktüberschreitung oder Gefrierpunkterhöhung versteht man, dass der Wert sich mehr in Richtung 0 °C, dem Gefrierpunkt des Wassers, nähert. Die Gefrierpunktbestimmung dient in erster Linie der Erkennung von Fremdwasserbeimengung. Tatsächlich ist in den meisten Fällen auch Fremdwasser die Ursache für einen zu hohen Gefrierpunkt.

Die Milchgüteverordnung (§ 3, Abs. 3, Pkt. 4) legt für die Einstufung der Sammelmilch in die S-Klasse fest: “…es darf kein Verdacht auf Wasserzusatz bestehen“. Zur Feststellung des GP ist monatlich mindestens eine Untersuchung durchzuführen. Besteht der Verdacht auf Wasserzusatz kann die zuständige Behörde im Erzeugerbetrieb eine Vollprobe ziehen, die aus den vollständigen Abend- und Morgengemelken besteht. Zwischen den Gemelken muss ein zeitlicher Abstand von mindestens 11 und höchstens 13 Stunden gegeben sein.

Weitere Regelungen sind Länderrecht und können auch in der Milchlieferordnung zwischen Molkerei und Erzeugerbetrieb festgelegt werden. Der Grenzwert wird in den meisten Bundesländern bei – 0,515 °C, vereinzelt auch bei – 0,512 °C festgelegt. Die Untersuchungshäufigkeit wird auf zwei oder drei Untersuchungen pro Monat bestimmt. Wird bei der amtlichen Vollprobe der Verdacht auf Fremdwasser entkräftet, kann der Milchlieferant finanziell nicht belangt werden, da auch noch andere Faktoren einen Einfluss auf den GP der Milch nehmen können.

Wie soll bei der Suche nach den Ursachen für Gefrierpunktüberschreitung vorgegangen werden?

  1. Analyse der Untersuchungsergebnisse der Sammelmilch in Verbindung mit der Beurteilung im Bereich der Fütterung der letzten 3 Monate
    • Wie lange besteht das Problem GP?
    • Ist die Veränderung GP gleichbleibend oder schwankend?
    • Gibt es starke Schwankungen in der Milchmenge?
    • Sind die Milchinhaltsstoffe Laktose, Harnstoff und Eiweiß (Protein) im Normalbereich?
    • Sind plötzliche Änderungen im Zusammenhang mit Fütterungsumstellungen vorhanden?
    • Sind Energiekonzentration, Proteinangebot und Rohfaser in den erforderlichen Proportionen im Futter?
  2. Ausschluss von Wasserbeimengung
    1. Beobachtungen im Melkbereich
      • Beurteilung auf Restwasser in der Melkanlage, Milchleitung und im Tank nach dem Spülen.
      • Das Milchleitungsgefälle kontrollieren und auf eventuelle Einsenkungen der Milchleitung achten. Das restliche Haft- und Kondenswasser einer durch Schwerkraft entwässerten Melkanlage, der Tanks und Rohrleitungen (keine Pfützenbildung!) ist unbedeutend.
      • Besondere Beachtung bei eventuellen Platten- oder Ringwärmetauschern auf defekte Dichtungen zwischen den Systemen. Das ist durch Milchprobenahme vor und nach dem Kühler kontrollierbar.
      • Wird beim Leerschieben der Milchdruckleitung Wasser in den Tank gedrückt? (Günstiger ist eine Entleerung mit lebensmitteltauglicher Druckluft).
      • Kommt es zum Anfrieren von Milch an den Kühlflächen im Tank?
    2. Ermittlung der Fremdwassermenge die allein für die Gefrierpunktverschiebung verantwortlich wäre.
      • Als sicheres Verfahren kann  aus dem Vergleichswert der Molkerei und dem aktuell ermittelten Gefrierpunkt der vermutete Fremdwassergehalt W in 100 g Milch nach folgender Gleichung berechnet werden (Quelle: Töpel, 2007):   W = 100  – GP / GV x 100;
        Wobei:  GP = Gefrierpunkt der untersuchten Probe in C°;  GV = GP der Bezugsprobe, d.h. der Normalmilch der Molkerei in °C;
      • Im Anhang dieses Beitrages ist eine Excel-Datei mit deren Formel die Berechnung der vermuteten Wasseranteile in % und der absoluten Wassermenge in der abgelieferten Milch durchgeführt werden kann. Zu beachten ist, dass Molkereiangaben sich eventuell zu Abweichung auf den unteren Grenzwert von – 0,515 °C beziehen.
    3. Ziehen von Informationsproben während der Melkzeit
      • Besteht der Verdacht auf Fremdwasser sollten Informationsproben gezogen und einzeln auf den GP untersucht werden, um die Ursache der Beimengung zu finden.
      • Nach Melkbeginn die erste Probe aus dem Tank ziehen.
      • Zweite Probe aus dem Vorlaufbehälter vor der Druckleitung entnehmen.
      • Während des Melkens aus den Milchmengenmessgeräten bei einzelnen Kühen weitere Proben nehmen. Dabei sind die Kuhnummern aufzuschreiben, um bei der Auswertung nativ erhöhten GP auszuschließen.
      • Im Melkverlauf weitere Proben zwischen dem Vorlaufbehälter und dem Tank ziehen.
      • Nach Melkende und Durchdrücken der Restmilch aus der Leitung in den Tank die letzte Probe aus dem Tank nehmen.
    4. Bei den Probenahmen sind folgende Punkte besonders zu beachten
      • Nur trockene Probeflaschen ohne Konservierungsmittel verwenden.
      • Keine Probe aus der Milch die eingefroren war.
      • Keine saure Probe untersuchen (GP-Depression auf > – 0,550 °C –> nicht auswertbar)
      • Lagerung der Probe nicht > 8 °C
      • Untersuchungstemperatur der Probe nicht > 25 °C
      • Untersuchung der Proben spätestens nach 3 Tagen
  3. Milchinhaltsstoffe haben meist geringen Einfluss, bei kleinen Herden sind sie aber im Zusammenhang mit der Futterration zu beachten.
    1. Beurteilung der Milchinhaltsstoffe der Sammelmilch
      • Niedrige Laktosewerte < 4,7 % können GP um 0,010 °C erhöhen.
      • Hoher Harnstoffgehalt > 300 mg/l bei niedrigen Proteingehalt weisen auf Proteinüberversorgung bei Energiemangel hin –> Erhöhung des GP um 0,004 °C.
      • Niedriger Harnstoffwert < 150 mg/l bedeutet Eiweißmangel –> Erhöhung des GP um 0,003 °C.
      • Abnahme des Eiweißwertes um 0,2 % erhöht den GP um 0,004 °C.
      • Ansatzpunkte für Ursachen in der Fütterung sind Natriummangel bzw. Kaliumüberschuss, Kontrolle der Energieversorgung und ausgeglichenen ruminalen Stickstoffbilanz.
    2. Zellgehalt der Sammelmilch
      • Bei erhöhter Zellzahl der Sammelmilch > 400 000 pro ml sinkt oft der Laktosegehalt der Milch als Folge erhöht sich der GP.
      • Der Einfluss der Zellzahl wird über den Salz- und Ionenanteil wirksam. Durch konträr verlaufende Schwankungen hebt sich der gesicherte Einfluss im Bereich der gesunden Milch < 400 000 pro ml auf.
    3. Laktationsstadium der meisten Kühe im Betrieb
      • Milch von Frischmelkern (bis etwa zur 6. Woche) hat etwas erhöhten GP um 0,005 °C.
    4. Milch von anderen Tierarten
      • Der Gefrierpunkt von Ziegen- und Schafmilch verhält sich anders als der von Kuhmilch. Das muss bei Mischmilch beachtet werden.
    5. Einfluss der Jahreszeit
      • Im Sommer ist, bedingt durch teilweise veränderte Fütterung (Grünfutter, Weide) der GP generell etwa um 0,002 – 0,003 °C erhöht.
      • Werden kurzfristig vor dem Melken 50 – 70 l Wasser von den Kühen aufgenommen, kann sich der GP um 0,003 °C erhöhen.
  4. Einflüsse in der externen Transportkette. Kontrolle des Milchsammelwagens (MSW)
    • Ist der Problembetrieb der Erste bei dem nach der Reinigung des MSW Milch abgeholt wird?
    • Wird bei diesem Erstlieferant eine Vorprobe bzw. Blindprobe gezogen?
    • Sind die Probeflaschen aus dem MSW trocken und ohne Konservierung?

Quellenangaben

Die hier genannten Zahlen sind Erfahrungswerte. Sie stammen aus verschiedenen Quellen und wurden bei Problemberatungen bei GP-Verschiebungen verwendet.
Es können sich im Extremfall die verschiedenen Einflussgrößen summieren und einen deutlichen negativen Effekt auf den Gefrierpunkt ausüben.

Literatur

TÖPEL, A.; (2007) Chemie und Physik der Milch- Naturstoff-Rohstoff-Lebensmittel; (3. Auflage Ausg.) Hamburg, Deutschland: Behr´Verlag
BUCHBERGER, J., (1993) Merkblatt zum Gefrierpunkt der Milch; (Dr. Johann Buchberger, Hrsg.) Landeskontrollverband Rheinland-Pfalz e.V.

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