Doppel- oder Einzelpulsation – eine entscheidende Frage bei Auswahl der richtigen Pulsation

Die Frage nach dem richtigen Pulssystem entscheidet für den Melkerfolg. Bei der Auswahl gilt es, die richtige Entscheidung zu treffen. Soll ein Pulsator sowohl die Melkpulsation wie auch das maschinelle Anrüsten der Kühe übernehmen, so kommen nur Einzel-Pulsatoren in Frage. Hier muss für jedes Melkzeug ein Pulsator vorhanden sein, damit eine tierindividuelle Stimulation realisiert werden kann. Stellt sich diese Frage aber nicht und es wird nur nach einer Melkpulsation gefragt, so könnte nach heutigem Stand sowohl ein Doppel– als auch ein Einzelpulsator eingesetzt werden.

Wo liegen die Unterschiede und wie ist die unterschiedliche Pulskurve zu interpretieren?

Grundsätzlich gilt:

Wird an einem Pulsator nur ein Melkzeug angeschlossen so beinhaltet dieses eine Melkzeug ein bestimmtes, sich nicht änderndes Luftvolumen durch

a. das Volumen des Melkbecherzwischenraums und
b. das Volumen der Pulsschläuche.

Dieses Luftvolumen wird durch die Pulsation innerhalb eines Pulszyklusses (a + b + c + d – Phase, das komplette Öffnen und Schließen des Zitzengummis) evakuiert und auch wieder belüftet. Der Volumenaustausch findet in den Phasen a (evakuieren) und c (belüften) statt.

Neben dem Luftvolumen des Melkzeuges ist für die Länge dieser Austauschphasen der Strömungswiderstand der Verbindungsschläuche entscheidend. Dieser ergibt sich aus der Schlauchlänge und dem Schlauchquerschnitt der eingesetzten Luftschläuche zwischen Pulsator und Melkzeug. Je kürzer oder auch je größer der Innendurchmesser, umso kürzer ist auch die Zeit für die Phasen, je länger oder auch enger die Schläuche, umso länger werden die Phasen sich ausprägen. Dies führt dazu, dass die Hersteller für Schlauchlängen und Durchmesser klare Angaben formulieren. Darin wird festgelegt wie lang und wie groß der Innendurchmesser zu sein hat. Letztendlich geht es darum, dass die Pulsation durch die optimale Ausgestaltung der einzelnen Phasen ein effektives Melken ermöglicht.
Hierbei müssen die einzelnen Phasen in ein optimales Verhältnis von Saugphase (a+b) zur Entlastungsphase (c+d) gebracht werden.
Gemessen werden sie möglichst in einer Zeiteinheit, allgemein üblich in Millisekunden. Damit kann die reale Zeit herangezogen werden und nicht mehr, wie es früher üblich war, ein prozentualer Anteil der jeweiligen Phase am Gesamtpulszyklus. So lässt sich die Pulsation unabhängig von einer Pulsatorgeschwindigkeit und auch der jeweiligen Arbeitsvakuumhöhe beurteilen.

Für die einzelnen Phasen empfehlen wir:

  • a-Phase von 100 bis 160 ms
  • b-Phase von 450 bis 500 ms
  • c-Phase von 100 bis 130 ms
  • d-Phase von 220 bis 280 ms basierend auf der gültigen Messung nach DIN/ISO Standard.

Durch die Einstellmöglichkeiten des Pulsators werden immer nur die Längen der b und d Phasen verändert. Die Länge der a und c Phasen ergibt sich aus 3 Bereichen:

  1. durch das Luftvolumen des Melkzeuges inklusive der Schläuche
  2. durch den Widerstand in den Schläuchen (Länge und Querschnitt) und
  3. durch die Querschnitte der Luftwege innerhalb des Pulsators.

Was passiert in den einzelnen Phasen:

1. Die a-Phase
Grob aufgeteilt lässt sich feststellen, dass die a-Phase für das Öffnen des Zitzengummis verantwortlich ist. Dieses Öffnen geschieht jedoch nicht verteilt über die gesamte Länge der a-Phase sondern abhängig vom Einfaltdruck der Zitzengummis im letzten Drittel der Phase, also kurz bevor die b-Phase beginnt. Ist diese Phase zu kurz, öffnet der Zitzengummi sehr schnell. Das wiederum kann dazu führen, dass durch diese sehr schnelle Volumenvergrößerung im Inneren des Zitzengummis ein Zusatzvakuum entsteht.
Warum entsteht das?
Beim Öffnen kommt es im Melkbecherinnenraum zu einer größeren Volumenveränderung unter der Zitze. Kann hier der Luftaustausch zwischen Milchsammelstück und Melkbecherinnenraum nicht schnell genug erfolgen, steigt für den Zeitraum dieses fehlenden Volumenaustausches das Vakuum kurzfristig an. Dieses Zusatzvakuum ist unerwünscht und ist, wenn es entsteht, verantwortlich für Rückspraywirkungen von Milch aus dem Bereich der kurzen Milchschläuche und des Milchsammelstücks zurück auf die Zitze.

Ist die a-Phase zu lang, so verkürzt sie automatisch die b-Phase. Beide sind unmittelbar miteinander verbunden und voneinander abhängig. Eine b-Phase sollte genügend lang sein, sie bestimmt vorrangig die Melkgeschwindigkeit.

Also:
Eine zu kurze a-Phase fördert Rücksprayeffekte,
eine zu lange a-Phase verringert eine effektive b-Phase und reduziert so die Melkgeschwindigkeit!

Unsere Empfehlung: Eine optimale a-Phase beträgt 100 bis 160 ms.

2. Die b-Phase
In der b-Phase ist der Zitzengummi geöffnet und es fließt Milch aus der Zitze. Die Länge der b- Phase entscheidet über die Melkgeschwindigkeit, wobei allerdings Obergrenzen beachtet werden müssen, da es hier sonst auch zu unerwünschten Nebeneffekten kommt. Ist die b- Phase zum Beispiel zu lang, werden vermehrt körpereigene Flüssigkeiten in die Zitzenkuppe gezogen. Das Gewebe wird übermäßig belastet. Dann reicht die Entlastungsphase nicht mehr aus, um die hier angesammelten Flüssigkeiten wieder wegmassieren zu können. In der Folge verhärtet die Zitze, sie lässt sich immer schwieriger öffnen und der Milchfluss lässt entsprechend nach. Zudem dürfte das auch ein unangenehmes Gefühl verursachen, die Kuh reagiert darauf häufig mit Schlagen nach dem Melkzeug.

Mit zunehmender Melkzeit verliert die Zitze ihre vor dem Melken vorhandene „Weichheit“. Zu lange Zitzengummis-Offenphasen führen also dazu, dass der Milchfluss aus jeder Zitze geringer wird. Gegen Melkende reduziert der Milchfluss das Vakuum unter der Zitzenspitze nicht mehr. Das nun stabile Vakuum unterhalb der Zitze ist der Grund, warum nun die Zitzen besonders belastet werden.

Deshalb sollte diese Phase möglichst kurz gehalten werden! Zu lange Offenphasen steigern zudem die Gefahr, dass es durch das Einwirken von Vakuum an der Zitze zu unerwünschten Gewebeveränderungen und Reizungen kommt, die wiederum zu Euterentzündungen führen können!

Aber auch zu kurze b-Phasen wirken sich negativ auf das Melken aus. Nun sind die Zitzengummi Offenphasen zu kurz und damit dauert das Melken länger. So wird die Melkzeit unwillkürlich länger und damit die Zeit, in der die Zitze dem Vakuum ausgesetzt ist, umso länger. Ein nicht effektives Melken mit nicht optimalen Milchflüssen wie auch eine geringe Arbeitsproduktivität bei meist verschlechterter Zitzenkondition ist die Folge.

Also:
Eine zu kurze b-Phase reduziert die Melkgeschwindigkeit,
eine zu lange b-Phase wirkt sich negativ auf die Zitzenbeschaffenheit/Kondition aus, reduziert damit sogar den optimalen Milchausfluss und erhöht das Mastitisrisiko. Zu lange b-Phasen führen auch zu einem „anstrengenden, aggressiven“ Melken für die Kuh.

Unsere Empfehlung: Eine optimale b-Phase beträgt 450 bis 500 ms. Die DIN/ISO 5707 fordert einen Phasenanteil von mindestens 30 %

3. Die c-Phase
In der c-Phase wird nun der Zitzengummi wieder geschlossen. Die Länge dieser Phase bestimmt maßgeblich die Schließgeschwindigkeit des Zitzengummis. Die eigentliche Schließbewegung erfolgt genau so wie das Öffnen in Abhängigkeit vom Einfaltdruck des Zitzengummis und findet im ersten Drittel der c-Phase statt! Deshalb sollte diesem Bereich auch besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden!
Hierbei kann es passieren, dass das Zitzengummi sehr schnell und somit schlagartig auf den Zitzen aufschlägt. Dies verursacht ein unangenehmes Gefühl, welches die Tiere zum Teil mit unruhigem Stehen, Schlagen nach dem Melkzeug und einer unwilligen Milchabgabe quittieren. Daher sollte hier speziell auf Mindestlängen geachtet werden! Deshalb geben wir hier also mindestens 100 ms an!

Eine zu lange c-Phase kann je nach eingestelltem Pulsverhältnis die Länge der Entlastungsphase in der Phase d so reduzieren, dass hier keine ausreichende Zeitdauer mehr gegeben ist. Dies ist in der Regel aber erst ab einem Pulsverhältnis größer 65:35 der Fall, die heute nicht mehr üblich sind. Daraus wird aber auch wieder deutlich, dass die c- und d-Phasen miteinander verbunden sind. Wird c verlängert, wird d kürzer und umgekehrt!

Also:
Eine zu kurze c-Phase verursacht zu schnelles, für die Tiere unangenehmes Schließen des Zitzengummis auf der Zitze. Eine zu lange c-Phase reduziert ggf. die Länge der d-Phase.

Unsere Empfehlung: Eine optimale Länge der c-Phase beträgt 100 bis 130 ms.

4. Die d-Phase
In der d-Phase bleibt der Zitzengummi nun geschlossen und übt im geschlossenen Zustand einen Massagedruck auf die Zitze aus. So werden angestaute Flüssigkeiten aus der Zitzen wieder zurück in den oberen Bereich der Zitze massiert und der Blutzirkulation zugeführt.

Damit bleibt die Zitzenspitze in einer möglichst gleich bleibenden, weichen Melkkondition und die Milch kann ungehindert in gleicher Intensität aus der Zitze in den Melkbecher gelangen. Zu kurze d-Phasen können keinen ausreichenden Entlastungseffekt realisieren, da hier sowohl ein gewisser Druck und dieser über eine gewisse Zeit auf den Zitzen anhalten muss. Nach heutigen Erkenntnissen geht man davon aus, dass hier mindestens 150 bis 170 ms zur Verfügung stehen müssen. Schließlich müssen die so in die Zitze eingesogenen Körperflüssigkeiten nun auch bewegt und in andere Gewebebereiche massiert werden können. Das braucht seine Zeit!
Zu lange d-Phasen verursachen sehr häufig platte und dann auch blutleere Zitzenspitzen!

Hier ist durch zu langen Druck auf die Zitzenkuppe Blut und Körperflüssigkeiten aus der Kuppe massiert worden. Jetzt dauert es natürlich länger bis so eine Zitze in der nächsten Zitzengummi Offenphase wieder mit vollem Querschnitt den Strichkanal öffnen kann.

Ziel beim Melken muss es sein, die Zitzenform und den Zitzenzustand so wenig wie möglich zu verändern. Erst dann können wir auch sicher sein, dass die Kuh das Melken auch als angenehm empfindet. Nur so ist sie optimal über den gesamten Melkvorgang zu melken.

Also:
Eine zu kurze d-Phase bringt keine ausreichende Entlastung, hat einen negativen Effekt auf die Zitzenkondition, reduziert dadurch den Milchfluss und erhöht das Mastitisrisiko. Eine zu lange d-Phase verursacht eher platte Zitzenkuppen und damit geringere Milchflüsse.

Unsere Empfehlung: Eine d-Phase beträgt 220 bis 280 ms. Die DIN/ISO 5707fordert deshalb für die d-Phase mindestens 15 % und zusätzlich mindestens 150 ms

Wie unterscheiden sich nun Doppel und Einzelpulsation voneinander?

Die nebenstehende Abbildung zeigt nun den gleichen Pulsator einmal als Doppel oder als Einzel Pulsator betrieben. Im direkten Vergleich können so recht einfach die einzelnen Phasen miteinander verglichen werden.

Hierbei wird nun deutlich, dass sich die Evakuierungs- und Belüftungsphasen generell verlängern und die b- und d- Phasen dagegen verkürzt haben!

Sicherlich kann mit den Doppelpulskurven noch gemolken werden, die Effektivität ist jedoch merklich geringer als mit einem Einzelpulsator.

Die a-Phase für sich genommen ist nicht das große Problem. Sie ist zwar nun aufgrund des doppelten Melkzeugvolumens um ca. 70 ms länger, stört aber nicht. Sie verkürzt aber nun die Länge der b-Phase!

Die b-Phase zeigt mit nur noch ca. 420 ms (knapp 70 ms kürzer) an, dass das Melken sicherlich um einiges langsamer gehen wird.
Bei Tieren im unteren Leistungsbereich wird das nicht so schnell auffallen. Werden aber Hochleistungstiere gemolken, können nun durchaus deutliche Unterschiede in Milchfluss und Melkdauer festgestellt werden.

Zudem ist durch die lange c-Phase mit nunmehr über 160 ms die d-Phase mit nur noch etwas mehr als 180 ms recht kurz! Hier muss schon aufgepasst werden wie sich die Zitzen nach dem Melken darstellen. Sind sie hart, sollte auf jeden Fall die Entlastung verbessert werden!

Wer schnell und zügig melken will, kann dies mit einer solchen Doppelpulsation nicht erreichen. Nur speziell dafür vorgesehene Pulsatoren sind demzufolge einsetzbar.

Hier zeigt eine Einzelpulsation deutlich ihre Vorteile. Daher muss es unser Ziel sein, auch eine optimale Pulsation zum Melken einzusetzen. Das kann nur eine Einzelpulsation mit klar definierten und optimal gestalteten Einzelphasen sein.

Wir empfehlen daher generell eine Einzelpulsation, wenn das Gesamtsystem konstruktiv nicht darauf ausgerichtet ist!

Weitere Beiträge

Melktechnik

Schaltpunktprüfung an Milchflussindikatoren

Fachgruppe Melken und Melktechnik Bernd Hennig Dipl.-Ing.behemo@t-online.de Prof. Dr. Lutz Daßler Berufsakademie Sachsen – Staatliche Studienakademie DresdenUniversity of Cooperative EducationHans-Grundig-Straße 2501307 Dresdenlutz.dassler@ba-dresden.de Beim Beurteilen des

Weiterlesen »