Dr. Günter Schlaiß
Jedes Gummimaterial, auch in einer Melkanlage, altert im Laufe der Zeit, egal ob Zitzengummis, Schläuche oder Dichtungen. Je nach Art und Zusammensetzung des Gummis und der Belastung schwillt das Material auf, es wird härter, und es bilden sich Risse im Material. Im Folgenden wird gezielt auf die Alterung von Zitzengummis im Einsatz eingegangen.
Die Faktoren, die sich auf die Alterung des Gummimaterials auswirken und damit die Lebensdauer der verschiedenen Gummiteile beeinflussen, lassen sich in 4 Gruppen einteilen:
Mechanisch Beanspruchung durch die
Zitzengummibewegung | |
Chemische und thermische Einflüsse durch die Reinigung und Desinfektion der Melkanlage
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Fett, vorrangig aus der Milch
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Umwelteinflüsse, wie z.B. UV-Licht oder Ozon
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Abb. 1: Einflüsse auf die Gummialterung*
Zunehmende Rauheit des Gummimaterials
Durch die wiederkehrenden dynamischen Belastungen und Bewegungen des Gummimaterials kommt es unvermeidlich mit zunehmendem Alter zur Bildung von Rissen im Material. Beim Schaft eines Zitzengummis treten als Folge der Zitzengummibewegung (Öffnen und Schließen des Zitzengummis) sehr große Unterschiede in der Belastung auf.
Abb. 2: Zitzengummibewegung – der Zitzengummi schließt immer an derselben Stelle! Dadurch ergeben sich im Zitzengummischaft klar abgegrenzte Bereiche mit starker und geringer Materialbeanspruchung.* SCHLAIß
Bereits 1975 untersuchten THUM et al (1975) im Laufe des Einsatzes eines Zitzengummis die Rauheit der Gummioberfläche im Inneren des Zitzengummischafts an verschiedenen Stellen mit großen Unterschieden in der Materialbeanspruchung. Ihre Ergebnisse haben auch heute noch Gültigkeit:
- Zitzengummischaft, im Bereich der Zitzen
- Zitzengummischaft, unterhalb der Zitzen
- Knickrinne des Zitzengummis (vgl. Abb. 2)
Abb. 3: Veränderungen in der Rauheit der Gummioberfläche in Abhängigkeit von Einsatzzeit und
Belastung (A, B, C) des Gummimaterials, nach THUM et al. (1975)
Generell ist festzuhalten, dass die Rauheit der Oberflächen im Laufe der Einsatzzeit zunimmt. Das Material wird am meisten beansprucht, wo es zu den stärksten Verformungen kommt – also in der Knickrinne des Zitzengummischafts. Entsprechend ist die Rissbildung im Bereich der Knickrinne (C) des Zitzengummischaftes am stärksten ausgeprägt. Eine Ausnahme stellt der Bereich (A) dar: da sich dort beim Melken die Zitzen befinden, kommt es zu so gut wie keiner Materialverformung beim Öffnen und Schließen des Zitzengummis und entsprechend auch zu keiner nennenswerten Rissbildung.
Die rauen Bereiche im Zitzengummischaft sind bei Zitzengummis, die sehr lange im Einsatz waren, auch mit dem bloßen Auge zu erkennen, vgl. Abb 4.
Abb. 4:Blick in einen montierten Zitzengummi mit deutlich zu langer Einsatzzeit, vom Zitzengummikopf her.
Die Rissbildung in der Knickrinne (A) ist deutlich über die gesamte Länge des Zitzengummischafts, bis in den Kopfbereich des Zitzengummis zu erkennen, während Bereich (B) unterhalb der Zitzen als matte Flächen wahrgenommen wird.*
Foto: SCHLAIß, 2018
Die oben aufgezeigte Zunahme der Rauheit der Gummioberfläche wird noch verstärkt, wenn ungeeignete Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt, R&D-Mittel falsch dosiert oder die vorgeschriebene Temperatur und Reinigungsdauer bei der Melkanlagen Reinigung nicht eingehalten werden.
So verursacht zu hohe Dosierung von R&D-Mitteln zwangsläufig eine sofortige Zerstörung der Gummioberflächen. Damit einher geht dann eine fortschreitende Erosion des Gummimaterials, die auf dem Betrieb mit dem „Fingertest“ geprüft werden kann: Dazu wird der lange Milchschlauch vom Sammelstück abgezogen und dann der innere Zustand des langen Milchschlauchs mit dem Finger geprüft. Der Zustand des Zitzengummis kann im Kragen des Zitzengummikopfes geprüft werden. Sollten auch nur geringe Spuren des Gummis am Finger erkennbar sein, muss a) die Ursache für Gummierosion gefunden und beseitigt sowie b) das Gummiprodukt getauscht werden.
Abb. 5:Erosion von Gummimaterial (Bsp.: langer Milchschlauch), nach deutlich zu langer Einsatzzeit, oder nachdem die Gummioberfläche als Folge von Überdosierung oder Einsatz nicht geeigneter R&D-Mittel beschädigt wurde*
Foto SCHLAIß
Fehler bei der Dosierung der R&D-Mittel und / oder der Reinigungstemperatur können außerdem zu Ablagerungen auf den Gummi-Oberflächen führen, vgl. Abb. 6.
Abb. 6:Ablagerungen auf Gummi-Oberflächen, bei lange anhaltenden Fehlern in der Reinigung der Melkanlage*
Foto SCHLAIß
Jegliche Zunahme der Oberflächen-Rauheit macht die Reinigung der Gummiprodukte schwieriger und aufwendiger. Damit steigt das Risiko, dass Bakterien den Reinigungsvorgang überleben können. Auch dies wurde von THUM et al (1975) mithilfe von Tupferproben untersucht. Die Autoren fanden einen deutlichen Anstieg an Bakterien, die bei zu langem Einsatz von Zitzengummis die Reinigungs- und Desinfektion der Melkanlage überleben, und sich somit in der Zwischenmelkzeit wieder vermehren können.
Abb. 7:Restkeimbesatz nach Reinigung & Desinfektion in Abhängigkeit von der Einsatzzeit der Zitzengummis (THUM et al, 1975), verändert nach RUDOVSKY (2004)
Die erschwerte Reinigung und Desinfektion von überalterten Gummiteilen erhöht das Risiko für höhere Keimzahlen in der Tankmilch. Deshalb ist als eine der ersten Maßnahmen bei Keimzahl-Problemen immer zu empfehlen, diejenigen Gummiteile der Melkanlage, die mit Milch in Kontakt kommen (Zitzengummis, Milchschläuche, Dichtungen, …), zu überprüfen und gegebenenfalls gegen neue Gummiteile auszutauschen.
BLOWEY und EDMONDSON (1995) weisen darauf hin, dass beim Einsatz überalterter Zitzengummis das Risiko ansteigt, Erreger von einer euterkranken Kuh auf die nächsten, zu melkenden Kühe zu übertragen. Entsprechend ist der rechtzeitige Austausch von Zitzengummis auch ein Beitrag zur Gesunderhaltung der Herde.
*Anmerkung des Verfassers:
Die Abbildungen und Grafiken sollen die Alterungsvorgänge im Gummimaterial illustrieren, und stellen deshalb Extremsituationen dar, die so in der Praxis praktisch nicht vorzufinden sind, wenn die Gummiteile der Melkanlage gemäß den Vorgaben der Melktechnik-Hersteller getauscht werden.
Die Abbildungen, Grafiken und Fotos dürfen nicht ohne ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Autors verwendet werden!